Dienstag, März 19, 2024
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10 Folgen der DSGVO, die möglicherweise nicht beabsichtigt waren

Illustration Schlüsselloch
Maksim Kaba/shutterstock.com

Als die Gesetzgeber in der EU die DSGVO-Gesetzgebung entwickelt haben, handelten sie mit den besten Absichten, die Rechte der User zu schützen. Aber, welche Folgen kommen noch auf uns zu?

Zu lange haben digitale Medien-, Marketing- und MarTech-Plattformen Daten (meist Cookie-Daten) ohne das Wissen des Nutzers gesammelt und monetarisiert. Die EU hat beschlossen, diese Praxis durch die Einführung der Datenschutz-Grundverordnung zu regulieren – und Unternehmen, die mit personenbezogenen Daten umgehen, zu zwingen, den Usern mehr Kontrolle zu geben. Obwohl niemand gegen die Logik der Gesetzgebung argumentieren kann, kann bezweifelt werden, dass der EU-Gesetzgeber hätte vorhersehen können, welche unbeabsichtigten Folgen, sein lobenswerter Versuch, die Persönlichkeitsrechte der EU-Bürger zu stärken, haben noch kann.

1. Stärkung des Duopols, Schwächung der 20 Prozent – auf kurze Sicht

Viele sagen, dass die DSGVO  konzipiert wurde, um die Kontrolle über das Duopol aus Facebook und Google (und evtl. Amazon) zu erhalten. Das macht nicht viel Sinn. Die Gesetzgeber waren besorgt darüber, wie sowohl Facebook als auch Google Daten verarbeiten, aber die DSGVO wurde nicht als eine Möglichkeit konzipiert, ihre Dominanz in Europa zu kontrollieren.

Eine der größten unbeabsichtigten Folgen dürfte jedoch eine Stärkung des Duopols sein. Ihre Macht im Ökosystem der Digitalen Werbung ist enorm. Sie kontrollieren fast 80% der digitalen Werbespendings in der EU und könnte sein, dass die Dinge schlimmer werden, bevor sie besser werden. Es kann sehr wohl sein, dass das Duopol und Amazon in den nächsten 12 Monaten einen größeren Anteil am digitalen Werbemarkt erreichen wird – 90% sind nicht unwahrscheinlich.

Die DSGVO in ihrer jetzigen Form ist ein Glücksfall für das Duopol. Werbetreibende und Agenturen drängen Google und Facebook seit Jahren auf unabhängige Messungen und die Möglichkeit, Daten zu extrahieren. Dies ist die Voraussetzung für grundlegende Dinge wie Frequency Capping und Ad-Verfication oder auch Erfolgsmessung. Die DSGVO macht dies jetzt fast unmöglich. Google und Facebook werden keine Übersicht über Daten außerhalb ihres „Walled Gardens“ haben und zunächst ihre eigenen Hausaufgaben machen. Aber Marken brauchen das Duopol mehr als umgekehrt und die Mauern sind überall noch ein wenig höher geworden. Es ist zu vermuten, dass zunächst noch mehr Budget in das Duopol fließen wird.

2. Große Verlage werden die ersten Opfer der DSGVO sein

Obwohl ich eine ambivalente Beziehung zu Google habe, glaube ich, dass seine Haltung zur DSGVO korrekt war. Es ist eine eindeutige spezifische Zustimmung nötig, um persönliche Daten der User zu sammeln und zu verarbeiten. Das sogenannte Legitime Interesse, als Konzept der Zustimmung, ist für einige Praktiken, die in dieser Branche stattfinden rechtlich nicht vertretbar. Google hat dieses Konzept aggressiv vorangetrieben und wurde von der WFA (World Federation of Advertisers) dabei unterstützt.

Was mich im Vorfeld der DSGVO erstaunt hat, ist die Art und Weise, wie sich die Verlage dem Thema nähern. Die Mehrheit von ihnen scheint zu glauben, dass das Legitime Interesse ausreichen wird. Auch wenn wir uns in einer Grauzone bewegen, kann ich mir vorstellen, dass diese Position zuerst einem Test unterzogen werden wird. So müssen Publisher ab dem 25. Mai die Zustimmung ihrer User einholen für den Fall, dass Cookies synchronisiert bzw. verwendet werden – was üblicherweise immer der Fall ist. Legitimes Interesse funktioniert hier nicht. Meiner Ansicht nach sind die Verlage nach dem 25. Mai am stärksten exponiert und werden als solche als erste durch die neue Verordnung rechtlich geprüft.

3. Die Wirkung der DSGVO auf Display und Programmatische Werbung

Kommen wir zu möglichen wirtschaftlichen Folgen der DSGVO. Wenn der größte Käufer auf dem Markt (Google) und andere Top-DSPs um explizite Zustimmung bitten müssen, wird das programmatischen Volumen sinken. Das bedeutet weniger Geld für Verlage. Ich hörte schon, dass der Verlust bei Programmatic Video bei bis zu 40% liegen könnte. Der Effekt auf Mid-Longtail-Publisher könnte noch ausgeprägter sein.

Die andere Konsequenz, die von der Industrie erst teilweise verstanden wurde, sind die Auswirkungen auf Tracking und Erfolgsmessung. Wie funktioniert ein Post-View-Tracking, wenn ein User die Zustimmung verweigert oder widerruft? Wie kann dann der Wert von Display-Ads gemessen werden? Möglicherweise kommt es in der Folge zu einer Budgetverlagerung in Richtung Search und geschlossenen Plattformen (Facebook) und die offenen Marktplätze werden an Bedeutung verlieren.

4. Kontextuelles Targeting kommt zurück

Durch die DSGVO scheint es, dass wir wieder in die 2000’er Jahre zurückkehren könnten, als noch Premium-Content und Relevanz wichtig waren. Es ist recht wahrscheinlich, dass Content und Contextual Targeting in Europa ein großes Comeback erleben werden. Und es wird neue Ad-Tech-Lösungen geben, die sich auf kontextbasiertes Targeting spezialisieren. War die kürzlich erfolgte Übernahme von Grapeshot in Hohe von mehreren hundert Millionen Pfund noch ein großes Ding, wird dieser Bereich in den kommenden Monaten und Jahren ein wichtiger Bereich für M&A sein. Allerdings könnte dann der Meister des Contextual Targeting, Google, recht einfach zum Zuge kommen und den Markt bereinigen

5. Das Comeback der Vermarkter

Durch Programmatic kamen die klassischen Vermarkter schwer unter Druck, es gibt aber Anzeichen für ein Comeback. Marketer suchen weiterhin nach hochwertige Platzierungen außerhalb der Walled Gardens von Google und Facebook. Daher könnte der IO-basierte Werbemarkt in Verbindung mit Contextual Targeting einen beträchtlichen Teil des Budgets abgreifen. Es ist schwer vorauszusagen, wie sie Programmatic entwickeln wird. Aber, wenn genügend User ihre Zustimmung verweigern, wird es ein neues Marktsegment der Nicht-Personalisierung geben. Und es wird womöglich keine besser Lösung geben, als der Vermarkter 2.0, der kontextbezogene Lösungen und Messstrategien anbietet, die sowohl die DSGVO als auch die Bedürfnisse der Werbung Treibenden erfüllen.

6. Die DSGVO-Abmahnindustrie

Viele erwarten, dass die DSGVO eine ganze Industrie von Verbraucherrechts-Technologien hervorbringen wird, die gegen nichtkonforme Unternehmen vorgehen wird. Bei genügend hoher Schadenssumme wird es kein Zögern geben, um vor Gericht zu gehen. Ich prophezeie eine dreimonatige Flaute, während sich die Abmahnindustrie in Stellung bringt. Dann werden wir über massive Geldbußen sprechen, wenn Unternehmen sich nicht an die DSGVO halten – sowie über die unvermeidliche PR-Katastrophen bei Gerichtsverfahren.

7. Die Entstehung des SSO (Single Sign-On)

Eine Reihe europäischer Player hat sich zusammengeschlossen, um angesichts der DSGVO eine Single-Sign-On-Strategie zu entwickeln. Die Idee besteht darin, eine Premium-Login zu erstellen, mit dem sich Benutzer anmelden müssen, um auf Inhalte zuzugreifen. Dies ermöglicht Publishern noch nicht, Anzeigen auf Basis der so gewonnenen Daten zu schalten. Aber es würde ihnen zumindest einen reichhaltigeren Datensatz geben, als vorher. Zusätzlich hätten die Publisher die Möglichkeit, weitere Produkte und Services, wie Abonnements oder maßgeschneiderte Angebote, zu verkaufen.

8. Veränderungen in der Aufmerksamkeitsökonomie

Die DSGVO wird die Art und Weise, wie wir die Aufmerksamkeit monetarisieren, erheblich verändern. Wir werden erleben, dass eine Reihe neuer Lösungen auf den Markt kommen. Unternehmen wie Brave, die den Werbeblocker auf die nächste Stufe bringen, versuchen Micropayments einzuführen, um Publisher zu unterstützen. Es ist unwahrscheinlich, dass alle User für Inhalte bezahlen werden, aber Aufmerksamkeit ist eine Währung, die immer noch gehandelt werden kann. Solange es eine Einigung über den Prozess gibt. Zu lange war der User in diesem Monetarisierungsprozess unsichtbar. Und ob es sich um eine Micropayment-, Opt-In- oder Outlier-Lösung wie Crypto-Mining im Hintergrnd handelt, die Ökonomie der Benutzer-Aufmerksamkeit ist anfällig für Veränderungen. Es kommen wohl viele neue Innovationen in diesem Bereich, die besten Köpfe in der Ad-Tech werden in diese Richtung gehen.

9. Kundenzentrierte Unternehmen mit großem Datenreichtum gewinnen das Rennen

In dem Bemühen, DSGVO-konform zu sein, ergeben sich für neue Anbieter zahlreiche Möglichkeiten, Werbebudgets zu gewinnen. Besonders kundenzentrierte Anwendungen, die viele Kundendaten sammeln sind gut platziert. Unternehmen wie Uber, Airbnb und Netflix verfügen über riesige Mengen an Userdaten. Die meisten Publisher/Apps hingegen haben nur flüchtige Beziehungen zu ihren Usern und ihre derzeitige Monetarisierungsstrategie basiert auf Praktiken, die nicht der DSGVO entsprechen. Die Ubers und Netflixes sind gut positioniert, um die Zustimmung ihrer User zu erhalten und Anzeigen in ihrem eigenen Ökosystem zu schalten.

10. DSGVO als langfristiges Problem für Google

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Posts war keines der Ad-Tech-Produkte von Google in der IAB-Liste der Anbieter für sein DSGVO-Framework enthalten. Die meisten unabhängigen CMPs (Consensus Management Platforms), die dieses Framework nutzen, sind ohne Google ziemlich nutzlos. Hinzu kommt, dass die CMP von Google es Publishern erlaubt, maximal 12 Anbieter (einschließlich der eigenen Ad-Produkte von Google) für User aufzulisten, wenn sie sich für datengestützte Werbung entscheiden. Dabei hat Google allein mindestens 15-20 Mess- und Werbeprodukte.

Das bietet wenig Spielraum für Publisher bei der Auswahl von AD-Tech-Anbieter. Diese Situation könnte sogar dazu führen, dass sich die EU-Kommission mit diesem Fall von Marktmacht auseinander setzen muss. Zum Beispiel DoubleClick. Diese Technologie, wird von Google rücksichtslos genutzt, um Kontrolle auf Marketer/Agentur-Ebene (Demand Side) und bei Publishern (Sell Side) zu erzwingen. Die DSGVO bietet auf kurze Sicht viel Potenzial für Google, aber letztendlich macht sie seine absolute Dominanz in Europa sichtbar. Es wird daher für die EU-Kommission einfacher werden, einen Fall aufzubauen.

Ich denke, Google seine CMP aufgeben und stattdessen eine Partnerschaft mit dem IAB eingehen. Geld wird ihnen trotzdem zufließen – und das ist ein großes Problem für Google. Ein Marktanteil von 90% bei digitaler Werbung – kontrolliert von Google und Facebook – ist zu viel für die EU und die Industrie.

Obwohl die DSGVO Anlass zu Befürchtungen gibt, kann sich auf lange Sicht ein erhebliches Aufwärtspotenzial ergeben. Daher sollten wir alle die DSGVO positiv betrachten und, was noch wichtiger ist, als eine notwendige Neuausrichtung der Datennutzung zugunsten der Verbraucher.

 

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Jens Breimeier
Jens Breimeier
Jens Breimaier kümmerte sich bei BTN Media um Business Development und den Aufbau von neuen Geschäftsfeldern. Er hat über 19 Jahren Erfahrung und Erfolg im Medien- und Onlinebusiness, u.a. bei Burda, Verlagsgruppe Milchstraße, Bauer Verlagsgruppe und Vibrant Media: "Ich arbeite mit Brands, Agenturen, Startups und Publishern im Online-Business und unterstütze sie beim Wachstum ihres Geschäfts sowie beim Aufbau von Know-How und Netzwerk. Meine Erfahrung als Sales- und BD-Verantwortlicher, sowie bei der Umsetzung von komplexen Aufgabenstellungen geben mir eine fachliche Basis und Kompetenz, die ich weiter geben möchte."
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